"wisteria ll" / architektonisches modell

bezugnehmend auf den 80. geburtstag von tom johnson ensteht ein architektonisches modell, das an seine kompositionsideen erinnert. tom johnson ist komponist und chronist der minimal music szene in new york, schüler von morty feldmann und lebt zur zeit in paris. anlässlich seines geburtstages wird das buch „finding music“ mit schriften von 1961 – 2018 im verlag musiktexte herausgegeben. darin beschreibt er selbst viele  seiner kompositionen, die mit der leitidee: „ich möchte die musik finden und nicht komponieren“ entstanden sind.

in einem raster von 2 x 2cm werden 80 schoten der wisteriapflanze aufgereiht in einem feld von 10 x 8 elementen. die reihung in einem feld wird durch das raster klar definiert, ähnlich der vorgabe eines taktes in der musik.

die entstehungsgeschichte der schoten ist wichtig für die sprache des modells.

die schoten, hier genutzt als readymade, werden aus ihrem natürlichen umfeld herausgenommen und in ein artifizielles feld gesetzt.

die pflanze wisteria [blauregen] ist eine kletterpflanze, die im april/mai große, schnell wachsende blaue blüten hervorbringt. nach der blütezeit wachsen die blätter der pflanze, im herbst wachsen die schoten, mit den darin liegenden samenkörnern. im darauf folgenden frühjahr springen in den ersten warmen tagen die schoten mit einem lauten knall auf und verteilen die samenkörner. die kraft während dem aufspringen der schoten, ist nicht nur laut hörbar, sondern auch sichtbar in der verdrehung der schoten. die schoten sind außen mit einer dunklen, braungrünlichen samtschicht überzogen, die im licht silbrig glänzt, im inneren ist die schote hellbraun.

die verdrehung, ähnlich der möbiusschleife, die sich im ständigen wechsel von innen nach außen zeigt, ist bei jeder schote in der struktur ähnlich, jedoch in der ausformung durch größe und stärke der schoten individuell.

das klare, mathematische raster im grundriss, wird durch die individuelle ausformung der schoten in der ansicht und höhenentwicklung des modelles zu einem freien spiel.

lufträume zwischen den schoten sind im fußpunkt gleich, in der höhe jedoch völlig unterschiedlich und frei.

diese visuelle erscheinung im vorliegenden modell ist vergleichbar mit der fassung der komposition nine bells durch olaf pyras. 

die klar in einem raster positionierten metallgongs in einem raum, schaffen in dem moment ihrer klangerzeugung eine vermischung der einzeltöne zu einem nicht kalkulierbaren klangfeld, mit einer ähnlichen präsenz wie die verdrehten schoten im modell.

das architektonische modell wird so zum gedankenmodell für eine ursprünglich musikalisch erdachte idee.

diese art der transformation kann einen gedanken oder eine geisteshaltung weitergeben, da sich der geist frei bewegen kann, verbunden ist, aber nicht für immer und ewig gebunden ist. ein finden der form wie das finden der musik.

architektonisches modell / "wisteria ll" / 2019

konzept & ausführung: andré füsser